125 Jahre Logistikexpertise

Jahre Logistikexpertise 125

Jah r e PART OF YOUR PROCESS 125

Inhalt Vorwort / 4 Prolog / 6 Eine einfache Kiste Kapitel 1 / 16 Von Milch und Menschen (1899 – 1947) Kapitel 2 / 40 Eine Republik in Bewegung (1947 – 1973) Kapitel 3 / 58 Aufstieg und Neubeginn (1973 – 1996) Kapitel 4 / 82 Eine neue Ära (1996 – 2012) Kapitel 5 / 106 Über die Grenzen hinaus (2012 – 2024) Anhang / 124

Liebe Leserinnen und Leser, als ich vor rund 50 Jahren offiziell in das Unternehmen meines Vaters einstieg, kannte mich die Belegschaft schon längst. Die meisten von ihnen hatten mich noch als den kleinen Jungen erlebt, der am Wochenende bei Milchfuhren aushalf. Vielleicht hatten sie auch deshalb so viel Geduld mit mir, als ich – den Kopf voller großer Ideen – am Anfang so manches Mal auch mit dem Kopf durch die Wand wollte, um meine Visionen umzusetzen. Ich wusste jedenfalls schon damals, dass ich mich auf meine Leute voll verlassen kann. Das ist bis heute so geblieben. Zuverlässigkeit hat pfenning schon immer ausgemacht – und manche Dinge ändern sich auch in 50 Jahren und mit fast 7.000 Mitarbeitenden nicht. Wenn es darum geht, auch mitten in der Nacht bei Wind und Wetter für den Kunden im Einsatz zu sein, dann zeigt sich die Einstellung unserer Mitarbeitenden heute genauso wie damals, als es noch darum ging, Milchkannen auf die Ladeflächen zu stemmen. Wir haben uns deshalb auf eine Spurensuche gemacht, um zu erfahren, wo diese besondere Haltung und diese besonderen Werte eigentlich herkommen. Angefangen haben wir in der Gegenwart, in der modernen pfenning-Gruppe. Doch schließlich wurde aus einer kleinen Suche nach unseren Werten eine Geburtstagsüberraschung – pfenning blickt im Jahr 2024 auf 125 Jahre Geschichte zurück! Wie es zu dieser Überraschung kam und wieso pfenning auch über diese lange Zeit Bestand hatte, erfahren Sie auf den folgenden Seiten. Mein Dank gilt allen, die ihre Erinnerungen in Gesprächen mit uns geteilt haben, genauso wie dem Team, dass die Geschichten in diesem Buch gesammelt und aufgeschrieben hat. Vor allem gilt er aber all denen, die diese pfenning-Geschichte selbst geprägt, gestaltet und gelebt haben! Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! Ihr Karl-Martin Pfenning

10 125 Jahre pfenning-Gruppe Es ist eine unscheinbare Kiste. Der Aufdruck auf der Pappe gibt einen Hinweis auf den Inhalt – einen Laptop, eine Picknickdecke, ein Hochbeet –, doch sonst fällt sie nicht weiter auf, inmitten der Dutzenden gleichartigen Kisten auf der Palette, inmitten Hunderter gleichartiger Paletten in einem 12 Meter hohen Hochregal, inmitten Tausender und Abertausender Kisten aller Größen und Formen. Wir befinden uns in einer der gewaltigen Hallen des multicube rhein-neckar, und neben den Kisten gibt es hier auch Fässer für flüssige Chemikalien oder Säcke voller Kakaomasse – im Prinzip nahezu alles, was man sich ausdenken kann – in unglaublichen Mengen. Der Aufwand, der betrieben wird, bis eine dieser Kisten ihren vorläufigen Platz in den Lagern gefunden hat, ist dagegen alles andere als unscheinbar. Blickt man aus der Vogelperspektive auf die Anlage, bekommt man einen vorsichtigen Eindruck von den Dimensionen, die hinter einem so alltäglichen Gegenstand stecken, der einem oftmals bald schon wieder im Regal eines beliebigen Supermarkts begegnet: Hier, am Rande des beschaulichen Heddesheim, fahren täglich Dutzende LKW ein und finden ihren Weg zu einem der 110 Verladetore. Empfangen werden sie von einem Schwarm bemannter Gabelstapler, be- und entladen und schließlich wieder auf ihre nächste Tour geschickt. Jedes Fach in den langen Regalgängen ist genau erfasst, jede Ladung und Lagerung Teil einer subtilen Choreografie, die maximale Geschwindigkeit und Sicherheit garantiert. Während die Sonne auf den Solarpaneelen entlang der 11 Hektar Dachfläche glitzert, ist in den Hallen darunter die Arbeit noch lange nicht vorbei. Denn der multicube und sein Betreiber, die pfenning-Gruppe, bieten ihren Kunden weit mehr als „nur“ ein – allerdings beeindruckend großes – „Lagerhaus“. Die Waren und Produkte, die hier eingehen, können nach allen Anforderungen der Kunden weiterbearbeitet werden. Egal, ob es um die gekühlte Lagerung besonders temperaturempfindlicher Produkte geht oder die umweltsichere Unterbringung von wichtigen Chemikalien, der multicube bietet eine passende Lösung oder kann bei Bedarf umgerüstet werden. Eine einfache Kiste Prolog

11 Prolog

12 125 Jahre pfenning-Gruppe Für die unscheinbare Kiste aus dem Supermarktregal geht der Weg durch die Hallen jedenfalls nach ihrer Anlieferung noch ein gutes Stück weiter: Sie wird auf Schäden überprüft, ihr Inhalt bei Bedarf neu verpackt. An langen Fließbändern sortieren Mitarbeitende die Waren aus dem Rücklauf eines großen Discounters, in der nächsten Halle werden die Produkte neu konfektioniert und für ihren Weitertransport vorbereitet. Alles passiert nach individuellen Vorgaben und Kundenwünschen. Moderne Logistik, das wird hier schnell klar, endet nicht mit dem VerlaModerne Logistik Die pfenning-Gruppe auf einen Blick (2024) Hauptsitz: Heddesheim Standorte: über 110 in Deutschland, Polen, Ungarn, Schweden Lagerfläche: 1 Mio. m² Mitarbeitende: 7.000 Fuhrpark: 1.000+ LKWs (eigene Fahrzeuge) den eines Containers oder einer Europalette. „PART OF YOUR PROCESS“ steht als Claim in großen Buchstaben neben dem blauen Logo von pfenning – und das Heddesheimer Unternehmen meint es damit ernst. Denn der Schwerpunkt von pfenning liegt in der Kontraktlogistik: Als Dienstleister wird pfenning – als Teil einer langfristigen vertraglichen Kooperation – fester Bestandteil im Supply Chain Management seiner Kunden. Hinter dem etwas sperrigen Be-

13 Prolog Logistik-ABC für Einsteiger Für Branchenprofis ist es alles ganz einfach: Kontraktlogistik, Handelslogistik, Werkstransporte. Außenstehenden schwirrt da schnell der Kopf. Doch Logistik umfasst weit mehr als Speditionen, deren Fernverkehrs-LKWs uns auf der Autobahn begegnen. Ein kurzes Glossar als Hilfestellung: Lagerlogistik: Planung und Betrieb von Lagerflächen – inklusive Aufbau der Lager, Technik und individueller Anpassungen an Kunden- oder Projekterfordernisse. Transportlogistik: Transport von Waren von A nach B – rund um die Welt oder von einer Halle in die nächste, per Schiff, LKW oder Schubkarre. Beinhaltet die Be- und Entladung. Kontraktlogistik: Eine langfristige vertragliche (Kontrakt = Vertrag) Beziehung zwischen Kunden und Logistikdienstleis- ter, um komplexe Aufgaben in der Lieferkette des Kunden zu übernehmen, die oft über den Transport und die Lagerung hinausgehen. Handelslogistik: Lieferprozesse für Handelsunternehmen oder Systemgastronomie, vor allem die Belieferung von Filialen mit einem dafür spezialisierten Fuhrpark. Beinhaltet frische und tiefgekühlte Waren, saisonale Produkte und Retouren. Industrieverkehr: Transport von Rohstoffen, Halbzeugen oder fertigen Produkten, auch innerhalb des Werksgeländes der Kunden. griff verbirgt sich ein einfacher Deal: Die Logistik-Expertise von pfenning wird so verfügbar gemacht, dass die Abläufe sich nahtlos in die eigene Lieferkette einfügen, vom Transport bis zur Lagerung und Weiterverarbeitung. Das bietet für die Kunden klare Vorteile, erfordert aber auch enorme Flexibilität von pfenning und seinen Mitarbeitenden: Alle Arbeitsschritte richten sich nach den Vorgaben des individuellen Projekts. Seniorchef Karl-Martin Pfenning versteht die hohen Ansprüche, die diese Arbeitsweise für seine Leute bedeutet: „Unsere MitarÜber die QR-Codes in diesem Buch können Sie noch mehr über unsere Geschichte erfahren! Scannen Sie diese Codes, um unsere Homepage zu besuchen oder in die Erinnerungen unserer Interviewparter einzutauchen. beiter sind wie Zehnkämpfer, die die Branchenbesonderheiten der Automobil- über die Chemie- bis hin zur Konsumgüterindustrie im Detail kennen müssen.“ Im Optimalfall ergeben sich aus dieser engen Anbindung aber auch neue Möglichkeiten, Prozesse effizienter zu gestalten – und da kommt die Expertise von pfenning besonders zum Tragen.

14 125 Jahre pfenning-Gruppe Unverzichtbarer Bestandteil dieser Expertise ist die Lagerlogistik, also das Geschäft mit Lagerflächen. Der wegweisende multicube in Heddesheim demonstriert mit seinen vielfältigen Nutzungsoptionen dabei sehr gut, warum es hier schon längst nicht mehr nur darum geht, Paletten in Regalen unterzubringen: Passende Standorte, flexible Lagerungsoptionen, Sicherheit für Ware, Mitarbeitende und Umwelt und Nachhaltigkeit in Energieverbrauch und -gewinnung sind nur einige der Themen, in denen die Erfahrung von pfenning voll zur Geltung kommt und für die der multicube stellvertretend steht. Ein Würfel im Mittelpunkt Das multicube-Konzept ist damit einzigartig, und pfenning darf zurecht stolz darauf sein: Seit 2012 verkörpert der erste multicube rhein-neckar die Kompetenzen von pfenning in besonderer Weise. Das gesamte Konzept wurde seit 2013 mehrfach ausgezeichnet, darunter der Heddesheimer multicube als bis heute nachhaltigster Industrieneubau Europas. Das Würfelsymbol ist so längst das Aushängeschild der pfenning-Gruppe geworden und steht stellvertretend für das erstaunliche Wachstum, das pfenning in den letzten Jahren erlebt hat.

15 Prolog Die Kontrakt- und Handelslogistik, die bei pfenning die Hochregale füllt, bietet das Unternehmen bundesweit mit mittlerweile fünf fertigen multicubes an, während der sechste multicube sogar über die Grenzen Deutschlands hinausgeht und bald im Elsass errichtet werden soll. Wo nötig, ist pfenning aber auch ganz flexibel vor Ort bei den Kunden, wenn keine ganz so große Lösung erforderlich ist: Vorhandene Lagerflächen werden von pfenning im Kundenauftrag angemietet, individuell als WAREhouses+ eingerichtet und betrieben.

16 125 Jahre pfenning-Gruppe Das Klingeln an der Tür ist vielversprechend: Der neue Kleiderschrank, die neue Waschmaschine oder die neue Einbauküche sind da – natürlich online bestellt. Was beim Kunden mit ein paar Klicks funktioniert, erfordert im Hintergrund eine ganze Reihe komplexer Schritte, von der Produktion bis zur Auslieferung. Und damit die Kunden nicht auf einmal im letzten Moment mit ihren schweren Paketen an der Bordsteinkante alleingelassen werden, gehört der Aufbauservice im besten Fall direkt zum Service dazu. Dieser Service, in der Branche als 2-Mann-Handling bekannt, ist für Kunden und Anbieter inzwischen selbstMehr als Transport verständlich. Weniger offensichtlich: Die freundlichen Männer, die gerade den Kleiderschrank montieren, sind auch Teil der pfenning-Gruppe. Ein Logistikprofi, der Möbel aufbaut? Was auf den ersten Blick erstaunlich scheint, ist eigentlich nur folgerichtig: Es geht darum, die richtigen Waren zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu haben. Die letzten Treppenstufen gehören da genauso zum Prozess wie die Just-in-time-Anlieferung von Rohmaterialien in die Fabrik. Mit dem Anspruch von pfenning, seinen

17 Prolog Kunden auf allen Schritten dieses Wegs zur Seite zu stehen, gehören so nicht mehr nur Gabelstapler, sondern eben auch Akkuschrauber zum Arbeitsgerät. Natürlich steckt hinter dieser Überlegung ein erheblicher organisatorischer Aufwand. Die Vielfalt an Optionen, die pfenning seinen Kunden mittlerweile bietet, ist unter dem Begriff „Kompetenz+“ nur ansatzweise gebündelt. E-Commerce-Spezialistinnen gehören bei pfenning inzwischen genauso selbstverständlich zur Belegschaft wie Gabelstaplerfahrer; Autohändler arbeiten hier genauso wie Expertinnen für den Bau von Lagerhäusern. Dienstleistungen wie der Bau von individuellen Displays für den Handel oder hochspezialisierter Metallbau sind Teil der pfenning-Gruppe geworden, oft in Tochtergesellschaften mit besonderen Stärken und Kompetenzen. Und wenn Kunden für bestimmte Projekte oder saisonale Aufgaben neue Personalressourcen benötigen, bietet pfennings hauseigene be4work-Personaldienstleistungsgruppe die nötige Hilfestellung.

18 125 Jahre pfenning-Gruppe Die Vielfalt der Prozesse und Dienstleistungen ist von außen betrachtet so unübersichtlich wie das geschäftige Treiben in den Lagern des multicube rhein-neckar. Direkt neben den großen Hallen liegen die Büroräume der zentralen Verwaltung von pfenning. Selbst für die Kolleginnen und Kollegen, die hier arbeiten, sind die Prozesse, die sich im alltäglichen Chaos nebenan abspielen, ab und an nur schwer zu überblicken. Deshalb bietet das Unternehmen von Zeit zu Zeit interne Lagerführungen an, damit auch die Buchhalter verstehen, was sie da eigentlich abrechnen, verborgen hinter Fachbegriffen aus einem halben Dutzend Sparten oder Abkürzungen aus der Business-Sprache des Logistikbetriebs. Doch an diesem Ort, einem modernen, aber bescheidenen Bürogebäude, wird auch klar, was diese große, vielfältige Unternehmensgruppe mit ihren fast 7.000 Mitarbeitenden eigentlich zusammenhält und verbindet. Denn hier laufen nicht nur die Fäden aus den über 110 Standorten in Deutschland, Polen, Im Herzen der pfenning-Gruppe Ungarn oder Schweden zusammen. Hier finden sich auch die Spuren der langen Tradition, die im Familienunternehmen pfenning steckt. Wie lebendig diese Tradition ist, wird sofort sichtbar, wenn ein Enkel von Seniorchef Karl-Martin Pfenning auf seinem Spielzeugauto durch die Flure der Verwaltung braust. Doch die Tradition lebt nicht nur in der Familie Pfenning fort. Ihre Wurzeln reichen weit zurück, bis in die Zeit der Weimarer Republik, und sie prägen das Denken und Handeln der Firma bis heute. Besucherinnen und Besucher werden schon im Foyer des Unternehmens von einem ungewöhnlichen Anblick begrüßt: Inmitten des modernen Glas- und Stahlbaus steht ein liebevoll restaurierter Mercedes-LKW aus den 1950er Jahren, lackiert in elegantem pfenning-Blau. An den Seiten seiner offenen Ladefläche hängen die Bilder von jungen Menschen: Die diesjährigen Absolventinnen und Absolventen einer der zahlreichen Ausbildungen, die pfenning anbietet.

19 Prolog Die sinnbildliche Verbindung von Tradition und Moderne ist augenfällig, und die prominente Platzierung hier im Herzen des Unternehmens kein Zufall. Trotz seiner 1 Mio. m² Lagerfläche, trotz der modernen Technologie und den über 1.000 LKWs steckt in pfenning noch immer das Erbe eines kleinen Milchtransportgeschäfts aus dem nahen Viernheim. Der Weg zwischen diesen beiden Punkten ist lang und alles andere als geradlinig. Aber es ist eine Geschichte, die sich zu erzählen lohnt. Janina Pfenning „Jeder Mensch bei uns ist gleich, egal, ob die Person im Lager arbeitet oder Kunde ist. Wir achten darauf, dass es den Mitarbeitern gut geht.“

Von Milch und Menschen 1899 – 1947 Kapitel 1

22 125 Jahre pfenning-Gruppe Martin Faber ist zufrieden. Die erste Tour mit dem neuen „Personal“ hat blendend funktioniert. Statt Hufschlägen von Pferden hallt heute das Knattern eines LKW-Motors durch den Hof seines kleinen Fuhrbetriebs, als er seine Tour für den Tag beendet; statt dampfender Pferderücken raucht nur der Auspuff. Für Faber ein stolzer Moment – und in den chaotischen 1920er Jahren auch ein Beleg für seinen Fortschritts- und Geschäftssinn: Der Familienvater weiß sich auch in unruhigen Zeiten zu behaupten und seine Familie zu versorgen. Der neue Verbrennungsmotor ist dafür nur ein weiterer Beleg. Von Milch und Menschen 1899 – 1947 Ein Portrait von Martin Faber in jungen Jahren.

23 1899 – 1947 Immerhin erreicht mit dem neu angeschafften LKW ein kleines Stück Moderne Martin Fabers heimisches Viernheim – und das gut vier Jahrzehnte, nachdem Carl Benz im nur wenige Kilometer entfernten Mannheim 1885 seinen ersten „Motorwagen“ konstruiert hat. Martin Faber ist damals gerade zehn Jahre alt. Und die Nachrichten von der „pferdelosen Kutsche“ aus der nahen Quadratestadt sind nicht das einzige Zeichen dafür, dass sein Leben von großen Umbrüchen und Umwälzungen geprägt sein wird. Dabei steckt das Viernheim, in das Martin Faber am 23. Januar 1875 geboren wird, in vielerlei Hinsicht noch in der Vergangenheit fest. Während die Hochindustrialisierung das gerade erst gegründete Deutsche Kaiserreich erfasst und vielerorts neue Fabriken, Hochöfen und Eisenbahnen entstehen, ist Viernheim Aufbruch in eine neue Zeit noch immer ein beschaulicher Marktflecken am Südrand Hessens, dessen größter „Industriebetrieb“ eine Ziegelei ist. Die Einwohner leben von der Landwirtschaft und bauen auf dem oft sandigen Untergrund Tabak an. Doch gegen Ende des Jahrhunderts wird auch Viernheim vom Aufbruch in die neue Zeit erfasst. Die Oberrheinische Eisenbahn verbindet ab 1887 Mannheim und Weinheim und hält dabei auch in Viernheim. Viele Einwohner finden dank der neuen Mobilität Arbeit und Einkommen in den nahen Mühlen und Fabriken, ohne ihre heimischen Höfe verlassen zu müssen. Martin Faber geht aber zunächst einen anderen Weg: 1896 taucht der junge Mann in der Viernheimer Stammrolle auf – Martin Faber, von Beruf Maurer. Im nahegelegenen Mannheim wird 1885 der erste Motorwagen konstruiert. Die erste Fahrt erfolgt durch die Frau des Erfinders, Bertha Benz.

24 125 Jahre pfenning-Gruppe Postkarte von Viernheim um 1900. Noch handelt es sich um einen beschaulichen, landwirtschaftlich geprägten Ort. Die Oberrheinische Eisenbahn verbindet ab 1887 Mannheim und Weinheim und hält dabei auch in Viernheim. Hier OEG-Bahnen auf dem Bahnhofsvorplatz in Mannheim, 1929.

25 1899 – 1947 In der Geschichte von pfenning ist ein Anfangsdatum für die Firma tradiert: 1932, das Jahr, in dem Elisabeth Faber, die Tochter des Firmengründers Martin Faber, mit 21 Jahren volljährig wird. Die junge Frau, die am 13. Juni 1911 als eines von sechs Kindern von Martin Faber auf die Welt kommt, steht ihrem Vater besonders nahe und führt später seinen Betrieb gemeinsam mit ihrem Ehemann, Johann Pfenning, weiter. Doch der junge Maurer Martin Faber, der 1896 erstmalig in historischen Unterlagen auftaucht, begründet diese Tradition schon deutlich früher. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert befindet sich nicht nur Viernheim in einem Umbruch in eine neue Zeit. Auch Martin Faber geht einen neuen Weg: Am 16. September 1899 erscheint im Gewerbetagebuch von Viernheim der Eintrag „Martin Faber, Milchhändler“. Er unterschreibt eigenhändig in der letzten Spalte. Die Geburtsstunde des Milchlogistikers Wie genau Faber zu dieser Tätigkeit kommt, lässt sich aus der knappen Zeile nicht erfahren. Doch es ist der historische Nachweis, dass die Geschichte des Unternehmens pfenning hier ihre Wurzeln hat: Im Milchgeschäft der Jahrhundertwende beginnt der Betrieb, aus dem die heutige pfenning-Gruppe heranwächst – 33 Jahre, bevor die heutige Familienerinnerung einsetzt. Zu diesen Anfangsjahren sind nur wenige Dokumente erhalten. Martin Faber taucht in den nächsten Jahren gelegentlich in den Verwaltungsakten seiner Heimatstadt auf, meldet zwischenzeitlich sein Gewerbe ab, um es wenige Jahre darauf wieder aufzunehmen. In einem Eintrag von 1914 erscheint er als „Milchhändler und Hauderer mit einachsigem Fuhrwerk“, wobei Hauderer die Bezeichnung für einen Lohnkutscher ist. Zum ersten Mal wird sichtbar, dass der Handel mit Milch auch die zugehörigen Transporte in der Region einschließt. Ein Stück Puzzlearbeit Die Spurensuche nach dem frühen Lebensweg von Martin Faber ähnelt einer Puzzlearbeit. Wie die meisten Zeitgenossen hinterlässt er kaum eigene Dokumente. Doch dafür tauchen an vielen Stellen Spuren seines Lebens auf: In Verwaltungsdokumenten oder Kirchenbüchern finden sich einzelne Einträge und kurze Verweise, säuberlich handschriftlich notiert. Bei der Suche nach seiner Geschichte werden dafür vor allem die Bestände des Stadtarchivs Viernheim ausgewertet. Der erste Hinweis von Martin Faber findet sich in der „Stammrolle“, der Auflistung aller wehrtüchtigen Einwohner der Gemeinde. Mit diesem Eintrag lässt sich die Recherche weiter eingrenzen. Es kommen weitere Unterlagen zutage: Adressbücher, Gewerbetagebücher, Auszüge aus dem Gewerberegister oder dem Heberegister (in dem das Steueraufkommen erfasst wird). So tauchen auch einfache Bürger wie Martin Faber sporadisch in den historischen Unterlagen auf, hinterlassen eine Linie aus historischen Spuren. Für einen Einblick, wie diese Hinweise aufgespürt werden und wie Historiker und Archivare gemeinsam die Puzzleteile zusammensetzen, werfen Sie gerne einen Blick in unser Magazin ECHO vom Dezember 2023.

26 125 Jahre pfenning-Gruppe Im Gewerbetagebuch von Viernheim taucht Martin Faber schon 1899 zum ersten Mal als Milchhändler auf.

27 1899 – 1947

28 125 Jahre pfenning-Gruppe Martin Faber in den historischen Unterlagen, 1899 – 1937 1896 1899 1902 1914 1896 „Martin Faber, Maurer“ (erstmalige Erwähnung) Stammrolle Viernheim 16. September 1899 „Martin Faber, Milchhändler“ (erste Gewerbeeintragung) Gewerbetagebuch Viernheim 1902 Abmeldung des Gewerbes Gewerbetagebuch Viernheim September 1914 „Milchhändler und Hauderer mit einachsigem Fuhrwerk“ Gewerbetagebuch Viernheim

29 1899 – 1947 1917 1919 1937 1920 1917 Abmeldung des Gewerbes im Ersten Weltkrieg 20. Januar 1919 Faber, Martin, Milchhändler Verzeichnis der Gewerbetreibenden der Gemeinde Viernheim 16. September 1937 Nachtrag „Lastkraftwagentransporte im Güternahverkehr“ Verzeichnis der Gewerbetreibenden der Gemeinde Viernheim 1920er Jahre Faber, Martin, Milchhändler, Lorscherstr. 32 Adressbuch der Stadt Viernheim

30 125 Jahre pfenning-Gruppe Mit seiner Tätigkeit als Milchhändler erfüllt Faber in diesen frühen Jahren des 20. Jahrhunderts eine wichtige Aufgabe. Denn während Kohle und Eisenerz die Industrialisierung befeuern, gibt es eine andere Ressource, die für die Arbeiter in den Fabriken eine noch direktere Bedeutung hat: Milch. Als echtes Grundnahrungsmittel spielt sie eine erhebliche Rolle, um die Jahrhundertwende liegt der durchschnittliche Milch-Jahresverbrauch pro Kopf bei fast 150 Litern – etwa dreimal so viel wie heutzutage. Sie zu transportieren ist aber noch echte, harte Handarbeit: Pferdefuhrwerke und schwere Milchkannen bestimmen den Alltag. Wenn die Witterungsverhältnisse selbst für die Pferde Eine ungeplante Unterbrechung zu schwierig sind, werden auch schon einmal Hundeschlitten angespannt, um die Milch zu transportieren – ein Ausfall kommt nicht in Frage. Doch selbst im kleinen Viernheim kann man diesen Anspruch nicht mehr halten, als weitaus größere Ereignisse ihren Schatten auch bis in die hessische Provinz werfen: Der Erste Weltkrieg tobt ab 1914 in Europa. Ob Martin Faber, mittlerweile 39 Jahre alt, noch zum Einsatz an der Front eingezogen wird, ist nicht klar. In jedem Fall muss Faber 1917 sein Gewerbe während des Krieges zeitweise abmelden. Für die nächsten Jahre ruht der Betrieb. Der Krieg endet schließlich mit dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918. Neben der motorisierten Auslieferung erfolgt die Milchlieferung auch mit der Pferdekutsche oder sogar per Hundeschlitten. Aufnahme aus den 1920ern.

31 1899 – 1947 Das weiße Gold Die Versorgung der Großstädte wird im Laufe der Industrialisierung zu einer neuen Herausforderung. Städte wie Mannheim wachsen, während die Landbevölkerung im Verhältnis abnimmt. Dadurch wird auch der traditionelle Milchverkehr aufgebrochen. Da es nun immer weniger Selbstversorger auf dem Land gibt, muss die Stadtbevölkerung effizienter mit Milch beliefert werden. Das kann nur gelingen, indem auch die Milch „industrialisiert“ wird: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es erste technische Kühlmöglichkeiten für Milch, und gegen Ende des Jahrhunderts werden neue Verfahren wie die Pasteurisierung entwickelt. Es entstehen erste Molkereien und Milchanlieferstellen. Das Anbieten der Milch auf öffentlichen Plätzen wird seltener. In Mannheim entsteht wie in anderen Städten auch daher ab 1911 die Mannheimer Milchzentrale. Ziel ist die Versorgung der fast 386.000 Einwohner der Städte Mannheim und Ludwigshafen am Rhein mit qualitativ geprüfter Frischmilch und die Überwachung der Preise. Die Milchzentrale wird zum wichtigen Bindeglied zwischen Erzeugern und Verbrauchern – und hat eine beständige Nachfrage nach frischer Milch aus den umliegenden Gebieten rund um die Quadratestadt. Die Milchzentrale Mannheim-Heidelberg wird 1911 in Mannheim gegründet. Hier: Aufnahme der Milchzentrale, um 1930. Auch in späteren Jahrzehnten transportiert pfenning noch Milch.

32 125 Jahre pfenning-Gruppe Auch wenn die Kämpfe an der Front beendet sind, ist die Zukunft alles andere als sicher. Revolutionäre Unruhen erfassen bald das ganze Deutsche Reich, und die harten Friedensbedingungen des Versailler Vertrags von 1919 sind eine schwere Hypothek für die Stabilität der gerade entstehenden Weimarer Republik: Auf Grundlage des Vertrags muss Deutschland hohe Reparationszahlungen an die Siegermächte leisten – Geld, das die Regierung kaum aufbringen kann. Um den Forderungen der Siegermächte nachzukommen, wirft die Reichsregierung die Notenpresse an. Als im Konflikt um Reparationszahlungen dennoch französische Truppen das Ruhrgebiet besetzen, eskaliert die Lage: Kosten für Streiks und Produktionsausfälle beschleunigen die Geldentwertung noch weiter. Zum Höhepunkt der Hyperinflation im November 1923 liegt der Umrechnungskurs für einen US-Dollar schließlich bei 4,2 Billionen Mark. Die Situation wird unhaltbar. Am 15. November 1923 wird die Mark zunächst durch die Rentenmark ersetzt, im August 1924 folgt die Umstellung auf die Reichsmark. Vor allem die Improvisationskünste der Bevölkerung helfen in dieser Zeit dabei, einen völligen Kollaps des Wirtschaftslebens zu verhindern. Wichtige Bereiche wie die Lebensmittelversorgung stehen teilweise auch Jahre nach Kriegsende noch unter Zwangsbewirtschaftung und werden von den Behörden direkt kontrolliert. Umso beachtlicher ist es, dass sich Martin Faber von all diesen Widrigkeiten nicht aufhalten lässt, sein Geschäft wieder aufzunehmen: Schon kurz nach Kriegsende, am 22. Januar 1919, erscheint er wieder als Milchhändler in den Viernheimer Gewerbelisten. Die alliierten Bevollmächtigten bei der Unterzeichnung des Waffenstillstands am 11. November 1918 in Marschall Fochs Salonwagen. Nicht mal mehr das Papier wert, auf dem es gedruckt ist – Geldscheine taugen während der Hyperinflation zeitweise nur noch als Tapetenersatz. 1923 kostet in Berlin 1 Liter Milch sage und schreibe 360 Milliarden Mark.

33 1899 – 1947 Abbildung der Milchproduktion von 1936. Milch als Grundnahrungsmittel erfreut sich in der Arbeitspause großer Beliebtheit.

34 125 Jahre pfenning-Gruppe Es ist in gewisser Hinsicht ein Neustart für das Unternehmen, das viele Jahre später einmal pfenning heißen wird – ab diesem Moment ist eine kontinuierliche Geschäftstätigkeit der Familie Faber und ihrer Nachfahren im Transportgeschäft nachweisbar. Zunächst geht es weiterhin vor allem um Milch. Seit 1919 ist die Milchversorgung in Viernheim und Umgebung für Jahrzehnte fest mit dem Namen Faber – und später seinem Nachfolger Zuverlässigkeit und Aufschwung und Schwiegersohn Pfenning – verknüpft: Nahezu jeder, der in Viernheim und Umgebung einen Schluck Milch trinkt, ist mehr oder weniger direkt Kunde der Familie. Denn spätestens ab 1922 beliefert Martin Faber auch die Milchzentrale Mannheim mit frischer Milch. Mit seinen Wagen zieht er über die Dörfer, sammelt Milch von den Bauernhöfen ein und liefert auf der Rückfahrt Molkereiprodukte an seine Abnehmer, vor allem die kleinen Tante-Emma-Läden in Viernheim und Umgebung. Als Milchhändler baut sich Martin Faber so nicht nur einen guten Ruf für seine Zuverlässigkeit auf, er erlebt auch den vorsichtigen Aufschwung in der Weimarer Republik und die Blütephase der „goldenen 20er“, beschäftigt bald zwei Mitarbeiter. Und auch der technologische Fortschritt erreicht Viernheim: Mit seiner ersten motorisierten Milchfahrt setzt Martin Faber bald ein Zeichen für die Zukunft. Ganz ausgedient haben die alten Methoden aber noch nicht – die Pferdekutschen und Hundeschlitten sind noch immer im Einsatz, wenn die LKWs gewartet werden müssen oder Witterung und Straßenverhältnisse die empfindliche neue Technologie vor Hindernisse stellen. Einen begeisterten Fan haben die neuen LKWs aber in jedem Fall: Töchterchen Elisabeth Faber ist schon als Kind Teil des Unternehmens und begleitet ihren Vater oft auf seinen Fahrten. Ihr Sohn Karl-Martin Pfenning erinnert sich: „Meine Mutter war total verwurzelt mit dem Unternehmen.“ Die anfängliche kindliche Freude verbindet sich mit der Entschlossenheit einer jungen Frau, die weit über die typischen Gegebenheiten ihrer Zeit hinaus auch in männlich dominierte Bereiche eindringt: „Sie hat dann sogar den LKW-Führerschein gemacht – da war sie stolz bis ans Ende ihres Lebens.“ Als erste Frau in Viernheim hat sie damit einen LKW-Führerschein – und nutzt ihn bald auch, um Milchfahrten zu übernehmen. Elisabeth Pfenning, geb. Faber Geboren am 13.06.1911 Eines von sechs Kindern – und einzige Nachfolgerin ihres Vaters Erste Frau in Viernheim, die einen LKW-Führerschein macht Bewahrt nach dem Krieg den Fuhrbetrieb und übernimmt später den Milchhandel der Familie Verheiratet mit Johann Pfenning (am 19.11.1937), 2 Kinder (Erika und Karl-Martin)

35 1899 – 1947 Elisabeth Faber im Kreis ihrer Familie, hier mit ihren Schwestern und deren Kindern, um 1930. Karl-Martin Pfenning „Meine Mutter ist mit dem Unternehmen groß geworden. Früher gab es sogar Hundeschlitten und Pferdegespanne, die die Ware transportiert haben.“

36 125 Jahre pfenning-Gruppe Während ihre Schwestern sich wenig für den väterlichen Betrieb interessieren, geht Elisabeth Faber vollkommen darin auf. Doch noch während die junge Frau heranwächst, ziehen erneut dunkle Wolken über Deutschland herauf. Der Börsencrash 1929 in New York löst einen Dominoeffekt aus: Die amerikanische Wirtschaft bricht massiv ein, amerikanische Anleger ziehen nun vermehrt ihr Geld ab. Das trifft vor allem die deutsche Wirtschaft, die von Auslandskrediten abhängig ist. Sie wird mit in den Sog der beginnenden Weltwirtschaftskrise gezogen. Arbeitslosigkeit und Armut sind die Folge. Die nun folgenden Krisenjahre sind eine schwere Belastung für das ganze Land – und werden damit auch zu einem wichtigen Faktor für den Erfolg der Nationalsozialisten, die den Menschen Dunkle Wolken Die Weltwirtschaftskrise erfasst auch Viernheim. Johann Pfenning (zweite Reihe links) ist betroffen und nimmt 1932 an einem „Erwerbslosenkurs“ teil. Brot und Arbeit versprechen. Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Direkt nach dieser „Machtergreifung“, wie die Nationalsozialisten es nennen, beginnt die NSDAP mit der konsequenten Gleichschaltung aller Lebensbereiche und der Verfolgung politisch Andersdenkender oder Minderheiten, insbesondere Juden. Auch in Viernheim lässt sich diese Entwicklung nicht ausblenden. Immer mehr jüdische Mitbürger müssen den Ort verlassen oder leiden unter zunehmenden Repressionen. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 brennt schließlich auch in Viernheim die Synagoge. Wer noch im Ort verbleibt, wird in den folgenden Jahren in die Vernichtungslager in Polen oder in das KZ Theresienstadt deportiert.

37 1899 – 1947 Der Nationalsozialismus ist omnipräsent: Hakenkreuzfahnen am Wasserturm im nahegelegenen Mannheim.

38 125 Jahre pfenning-Gruppe Doch zunächst geht das Leben gerade im beschaulichen Viernheim seinen gewohnten Gang weiter. Elisabeth Faber wird 1932 mit 21 Jahren offiziell volljährig – und übernimmt spätestens jetzt immer weiterreichende Aufgaben im väterlichen Betrieb. Das Jahr 1932 gilt für sie und ihre Nachfahren später auch als der eigentliche Startschuss des Transportbetriebs. Und der ist inzwischen auch offiziell ein gutes Stück moderner geworden: Am 16. September 1937 wird im Gewerberegister unter der Zeile „Milchhändler“ auch der Eintrag „Lastwagentransporte im Güternahverkehr“ bei Martin Faber ergänzt – die Zeiten als Hauderer mit einachsigem Fuhrwerk sind endgültig vorbei. Nur einige Monate später, am 19. November 1937, gibt es noch freudige Nachrichten: Elisabeth Faber heiratet Johann Pfenning. Pfenning wird am 5. Oktober 1910 geboren, ebenfalls Neue Generation, neue Herausforderungen gebürtiger Viernheimer und gelernter Mechaniker. Der zurückhaltende, ruhige Mann passt gut zur energischeren Elisabeth, unterstützt sie auch bei der Arbeit im väterlichen Fuhrbetrieb und fügt sich gut in die Familie ein. Die nationalsozialistische Herrschaft wird aber auch für die Familien Faber und Pfenning bald im Alltag spürbar. Nach der Machtübernahme durch das neue Regime strömen zahlreiche Gewerbetreibende in die NSDAP; viele von Ihnen erhoffen sich vor allem berufliche und persönliche Sicherheit, unter ihnen der seinerzeit 58-Jährige Martin Faber. Dieser entscheidet sich zum Schutz seiner Existenz dafür, weil ihm sonst, so seine Aussage nach dem Krieg, der Entzug der Milchtransporte durch einen Mitbewerber und NSDAP-Funktionsträger aus dem nahen Weinheim droht. Politisch aktiv wird Johann Pfenning Elisabeth Pfenning, geb. Faber

39 1899 – 1947 Wehrmachtssoldaten im Einsatz, Foto aus einem Album von Johann Pfenning. Faber hingegen nie. So bekleidet er weder ein Amt noch eine Funktion. In einem Entnazifizierungsverfahren wird er schließlich als Mitläufer eingestuft und zu einer Sühnezahlung von 1.500 RM verurteilt, die aber aufgrund seines Todes im Jahr 1947 nicht mehr vollstreckt wird. Das junge Ehepaar Pfenning wird derweil ebenfalls von den politischen Umständen erfasst. Beide werden nie Mitglied der NSDAP und sind politisch nicht aktiv. Doch Deutschland steuert unter der Herrschaft der Nationalsozialisten unweigerlich auf einen Krieg zu – und entfesselt schließlich am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Johann Pfenning wird zur Wehrmacht eingezogen und kommt in den Niederlanden und in der Normandie zum Einsatz. Im Laufe des Krieges wird er zweimal verwundet. Die einzig positiven Nachrichten aus diesen Jahren: Die Geburt seiner Tochter Erika kann Johann Pfenning am 5. März 1942 bei einem Fronturlaub in der Heimat erleben. Auch hier in der Heimat ist der verheerende Krieg mittlerweile zu spüren. Auf vielen Bauernhöfen, zu denen die Milchtransporte führen, werden nun ausländische Zwangsarbeiter als Arbeitskräfte eingesetzt, um die eingezogenen Männer zu ersetzen. Und für das Fuhrunternehmen Faber wird die Lage schnell dramatisch: Mangelnde Ersatzteile, beschlagnahmte Fahrzeuge und schließlich die verheerende Treibstoffknappheit machen einen geregelten Betrieb nahezu unmöglich. Bald werden sogar wieder Pferdefuhrwerke eingesetzt; am Kriegsende ist das einzige noch funktionstüchtige Fahrzeug längst auf einen Holzvergaser umgerüstet, um dem Treibstoffmangel zu begegnen. Als in den letzten Kriegstagen amerikanische Truppen auf Viernheim anrücken, hissen die Einwohner eine weiße Flagge am Kirchturm und an ihren Privathäusern; die US-Truppen marschieren am 27. März 1945 kampflos in den Ort ein.

40 125 Jahre pfenning-Gruppe Johann Pfenning wird schnell Teil des Familienbetriebs. Hier: Er und sein Bruder um 1930. Als Johann Pfenning 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Viernheim zurückkehrt, ist vom Lebenswerk seines Schwiegervaters nicht mehr viel zu erkennen. Immerhin bleibt Viernheim im Gegensatz zu den Nachbarorten von alliierten Luftangriffen weitestgehend verschont. Doch auch hier ist die Versorgung der Zivilbevölkerung zunächst ein drängendes Problem. Die neue Militärverwaltung – Viernheim liegt in der nun entstehenden Ein schwieriger Neubeginn Da ich auf meinem Beruf nicht mehr arbeiten kann, weil ich kriegsbeschädigt bin, bitte ich die Bürgermeisterei um ihre Befürwortung, damit der Unterzeichnete der Allgemeinheit nicht zur Last fällt. Aus einem Brief Johann Pfennings an den Bürgermeister von Viernheim. amerikanischen Besatzungszone – kontrolliert alle Aktivitäten der Deutschen genauestens. Johann selbst bemüht sich zeitweise darum, ein Gewerbe für Krankentransporte zu etablieren, was aber an bürokratischen Hürden scheitert – obwohl er in seinem Schreiben an die Verwaltung klarmacht, dass er seiner alten Arbeit als Mechaniker

41 1899 – 1947 Amerikanische Truppen werden trotz anfänglicher „Fraternisierungsverbote“ bald ein alltäglicher Anblick in deutschen Städten. In ihrer Besatzungszone bringen sie die Bevölkerung mit einer ganz neuen Kultur in Berührung. aufgrund der Kriegsverwundung nicht mehr nachgehen kann. Die Frage nach seiner zukünftigen Karriere wird schließlich hinfällig: Am 14. September 1947 stirbt Schwiegervater Martin Faber. Elisabeth Pfenning, die tief mit dem Unternehmen verbunden ist, möchte den väterlichen Betrieb so gut wie möglich bewahren. Auch wenn das „Lastwagentransportunternehmen“ in diesem Moment fast nur auf dem Papier existiert, nimmt sich Johann Pfenning der Herausforderung an: Er macht sich an die Arbeit, das Milchsammelgeschäft wieder neu aufzubauen. Damit kommt er gerade richtig. Auch dank seines Einsatzes gelingt es, in diesen schwierigen Nachkriegsjahren den Milchtransport und die wichtige Versorgung der Region mit Milchprodukten aufrechtzuerhalten, vor allem, indem er die Erfassung der Milch bei den Bauern der Region neu organisiert. Die Verdienste von Johann Pfenning für die Versorgung der Bevölkerung in dieser Zeit bleiben im Gedächtnis. Zu Johann Pfennings 70. Geburtstag schlägt die Milchzentrale ihn sogar für ein Bundesverdienstkreuz vor: „Er hat sich“, so die Milchzentrale, „in der Nachkriegszeit um den Aufbau der milchwirtschaftlichen Erfassung im nordbadischen und südhessischen Raum große Verdienste erwiesen.“ Doch für den immer ruhigen, zurückhaltenden Pfenning geht es nicht um Anerkennung. Stattdessen baut er das Unternehmen von Grund auf wieder auf – und wird ihm bald auch seinen neuen Namen geben. Johann Pfenning Geboren am 05.10.1910 Ausgebildeter Mechaniker (arbeitet in der Automobilfertigung in Mannheim) Im Zweiten Weltkrieg zweimal verwundet Am 29.04.1949 übernimmt er das Transportunternehmen seines Schwiegervaters Martin Faber Baut Milcherfassung nach dem Krieg neu auf Seit 1961 startet Pfenning mit dem Transport von konventionellen Gütern Bleibt bis ins hohe Alter beratend im Unternehmen tätig Verheiratet mit Elisabeth Pfenning, geb. Faber (am 19.11.1937), 2 Kinder (Erika und Karl-Martin)

42 125 Jahre pfenning-Gruppe Der Wiederaufbau der deutschen Städte wird zu einer enormen Herausforderung. Die „Trümmerfrauen“, die Aufräumarbeiten verrichten, werden später zu einem Gründungsmythos der Bundesrepublik.

Eine Republik in Bewegung 1947 – 1973 Kapitel 2

46 125 Jahre pfenning-Gruppe Es ist eigentlich eine ganz normale Fahrt: Der pfenning-Milchtanker ist auf der Autobahn in Richtung Mannheim unterwegs, um die dortige Milchzentrale zu beliefern. Natürlich auch heute am Sonntag: „Eine Kuh gibt schließlich 365 Tage im Jahr Milch“, wie Karl-Martin Pfenning zu sagen pflegt. Der junge Mann, gerade erst 23 Jahre alt, sitzt an diesem Tag als Beifahrer neben seinem Vater Johann Pfenning und hilft ihm bei einer der alltäglichen Fuhren. Doch beim Blick aus der Fahrerkabine hinaus wird schnell klar, dass dieser Sonntag alles andere als gewöhnlich ist. Wo sonst Familien in ihren frisch gewaschenen Opel Kadetts und VW-Käfern zum Sonntagsausflug unterwegs sind, ist nun außer dem Milchtransporter auf der ganzen Autobahn kein Fahrzeug zu sehen. Zumindest fast: Trotz des ungemütlichen Novemberwetters begegnen die beiden Pfennings einer Gruppe Fahrradfahrern, die ihnen freudig zuwinken, als sie überholt werden. 1947 – 1973 Eine Republik in Bewegung Aufbruch in eine neue Zeit Wir hatten Ausnahmeregelungen und ich konnte mit meinem Vater ganz alleine mit dem Auto über die Autobahn fahren. Das war natürlich wunderbar. Karl-Martin Pfenning

47 1947 – 1973 Ölpreiskrise und Fahrverbote Im Zuge des Jom-Kippur-Krieges 1973 wollen die arabischen OPEC-Staaten den Westen mit einer Drosselung ihrer Ölforderung unter Druck setzen. Wichtige Ölexporteure wie Saudi-Arabien und Libyen reduzieren ihre Fördermengen um 5 % monatlich – mit gravierenden Folgen für den Ölpreis und die westlichen Industrienationen. Auch durch die hohen Energiekosten rutscht die westdeutsche Wirtschaft zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in eine echte Krise: Das Wachstum stagniert und die Arbeitslosigkeit steigt an. Die Regierung reagiert vor allem mit Energiesparmaßnahmen: Das Sonntagsfahrverbot sorgt für denkwürdige Bilder in den Abendnachrichten, doch auch darüber hinaus gelten Tempolimits und Benzin-Rationierung, vielerorts wird um weitere Energiesparmaßnahmen gerungen. Als „Spätfolge“ der Krise wird 1980 so auch die Sommerzeit (wieder) eingeführt. Überrascht von den ungewöhnlichen Verkehrsteilnehmern sind die beiden jedenfalls nicht – immerhin herrscht an diesem 25. November 1973 zum ersten Mal ein Sonntagsfahrverbot in Deutschland. Die Pfennings fahren mit einer Ausnahmegenehmigung, werden von der Bundesanstalt für Güterfernverkehr sogar als besonders kritisches Transportunternehmen geführt, das die Versorgung der Bevölkerung im Krisenfall sichern soll. Die Krise, die nun in der Adventszeit 1973 die Republik erfasst, sorgt zumindest für leere Autobahnen. Doch für Johann Pfenning ist es nicht das erste Mal, dass er Milch unter widrigen Umständen zur Bevölkerung bringt… Fahrradfahrer auf einer leeren Autobahn, Dezember 1973.

48 125 Jahre pfenning-Gruppe An Pferdefuhrwerke hat man bei pfenning noch gute Erinnerungen; 1973 dürfen die Viernheimer aber auch ohne tierische Hilfe weiterfahren. Keine Pausen 27 Jahre vorher, an gleicher Stelle auf einer Autobahn bei Mannheim. Statt Fahrradfahrern sind an diesem Sonntag im Jahr 1947 vor allem amerikanische Militärkonvois unterwegs – im Deutschland der Nachkriegszeit ist Treibstoff für die Zivilbevölkerung Mangelware. Doch wieder ist Johann Pfenning unterwegs. Diesmal neben ihm: seine Frau Elisabeth, die den mit einem Holzvergaser betriebenen LKW selbst steuert. Und Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm er das Fuhrunternehmen in eigener Verantwortung und organisierte zusammen mit der damaligen Mannheimer Milchzentrale AG die gesamte Milcherfassung bei den Bauern von Grund auf neu und stellte damit die damals so wichtige Ernährung der Bevölkerung des Ballungsraumes Mannheim sicher. Auszug aus einem Brief von Karl Keller (Vorstand der Milchzentrale Mannheim) über Johann Pfenning, 23. September 1980 auf der Ladefläche ist der altbekannte „pfenning-Sound“ zu hören: das Klappern von schweren, vollbeladenen Milchkannen. Denn auch nach Martin Fabers Tod bleibt der Familie wenig Zeit zum Trauern – die Arbeit muss weitergehen. In den harten Nachkriegsjahren ist die Versorgung der Bevölkerung in der gesamten Region eine gewaltige Herausforderung. Auch wenn die

49 1947 – 1973 Der Milchtransport erfolgt zunächst wieder mit einfachsten Mitteln, wo nötig auch mit Schlitten oder Handkarren. Hier: um 1930. Heimat der Pfennings, Viernheim, im Krieg nicht zerstört wird, fehlt in den umliegenden Städten Wohnraum, und die Infrastruktur ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Der notdürftige Betrieb, den insbesondere Elisabeth Pfenning und ihr Vater während des Krieges aufrechterhalten haben, bleibt so eine Aufgabe, die viel Improvisation und vor allem harte Arbeit verlangt. Neben den praktischen Fragen des Transports ist auch die wirtschaftliche Lage unübersichtlich: Die Reichsmark hat ihren Wert fast vollständig verloren, und wer wertvolle Güter des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Milch hat, kann damit auf dem Schwarzmarkt deutlich lukrativere Geschäfte machen als im offiziellen Handel. Auch bei den Bauern gibt es, trotz strenger Kontrollen, einige Bemühungen, die tatsächliche Milchmenge zu verschleiern, um mit Überschüssen Tauschgeschäfte tätigen zu können. Die Lage bessert sich erst mit der Währungsreform im Juni 1948, als in den westlichen Besatzungszonen die DMark eingeführt wird. Mit der neuen Währung wird das Wirtschaftsleben neu aufgestellt und beginnt nun aufzublühen – und mancherorts stellt sich der wundersame Effekt ein, dass Bauern auf einmal offiziell bis zu 20 % höhere Milcherträge pro Kuh vermelden, die sie nun für D-Mark an die Milchzentralen abgeben. Dass Johann Pfenning in diesen Jahren in den Betrieb mit einsteigt, ist in mehrfacher Hinsicht ein Glücksfall. Denn der ausgebildete Mechaniker, der vor dem Krieg lange in den Daimler-Benz-Werken in Mannheim gearbeitet hat, bringt nicht nur das handwerkliche Know-how mit, um die wenigen verfügbaren Fahrzeuge am Laufen zu halten. Er ist auch ein ruhiger Charakter und aufmerksamer Beobachter. „Seine Stärke war, dass er mit jedem vernünftig geredet und tatsächlich zugehört hat“, erinnert sich sein Sohn Karl-Martin Pfenning an ihn. Dieses Einfühlungsvermögen und eine gewisse Gelassenheit erweisen ihm nun gute Dienste, um zwischen den Zivilbehörden, Besatzungstruppen, Milchbauern und der Milchzentrale zu vermitteln. Pfenning gelingt es so, einen geregelten Milchsammelbetrieb einzurichten, die Milchzentrale in Mannheim zuverlässig zu beliefern und die Versorgung in Viernheim und der ganzen Region abzusichern – denn er bringt nicht nur die Milch nach Mannheim, er transportiert auch eine ganze Palette von Molkereiprodukten nach Viernheim zurück.

50 125 Jahre pfenning-Gruppe Es ist ein unscheinbarer Verwaltungsakt, mit dem am 29. April 1949 eine neue Ära beginnt. Johann Pfenning und seine Frau Elisabeth melden das Lastwagentransportunternehmen von Martin Faber im Gewerberegister um: Der Betrieb, der nun unter dem Namen von Johann Pfenning geführt wird, ist offiziell als „Gewerblicher Güterverkehr“ eingetragen. Damit geht vor allem der Betrieb von Martin Faber weiter. Doch es gibt auch einige Veränderungen. Während sich im Hause Pfenning Nachwuchs einstellt – Sohn Karl-Martin kommt 1950 zur Welt – zieht sich Elisabeth Pfenning aus dem Fahrbetrieb weitestgehend zurück. Stattdessen übernimmt sie den Teil des Ein neues Unternehmen in einem neuen Land Geschäfts, den ihr Vater als Milchhändler schon seit Jahrzehnten in Viernheim geprägt hatte: die Belieferung von Geschäften, aber auch Schulen und Krankenhäusern in Viernheim mit Molkereiprodukten und Milch. Daneben unterhält sie – auch noch bis ins hohe Alter – einen kleinen Laden, in dem sie Milch, Käse und andere Alltagswaren verkauft. Dieser Laden bleibt auch später in der Familie: Elisabeths Tochter Erika übernimmt das Geschäft und betreibt es bis zu ihrem eigenen Ruhestand weiter. Selbst als Milch schon nicht mehr das Hauptgeschäft der Firma pfenning ist, bleibt die Verbindung zum ursprünglichen Familiengeschäft erhalten und Elisabeth Pfenning das Herz der Familie, wie sich ihr Sohn Karl-Martin erinnert: Im Milchladen von Elisabeth Pfenning in Viernheim.

51 1947 – 1973 Meine Mutter war eine unheimlich fleißige Frau. Sie hat nicht nur das Geschäftsleben, sondern auch ihre Familie immer im Mittelpunkt gehabt. Nicht nur für die Kernfamilie, sondern auch für die Verwandtschaft hat sie einfach alles gemacht. Sie hat immer die ganze Verwandtschaft am Wochenende eingeladen und sie bekocht, sodass die Familie immer zusammen war. Übertragung des Gewerbes an Johann Pfenning.

52 125 Jahre pfenning-Gruppe In einem kleinen Ladengeschäft bietet Elisabeth Pfenning über Jahrzehnte Milchprodukte und weitere Lebensmittel an. Hier der Antrag zur Eröffnung von 1952. Die Familie Pfenning bei der Kommunion von Karl-Martin.

53 1947 – 1973 Das „Wirtschaftswunder“ der 1950er-Jahre Nach dem Aufbruch der Währungsreform setzt spätestens mit Gründung der Bundesrepublik 1949 im ganzen Land ein rasanter Aufschwung ein. Der Wiederaufbau der zerstörten Städte geht zügig voran, und im Zeichen des aufkommenden Kalten Krieges wird die junge Republik nur wenige Jahre nach Kriegsende fest in das westliche Wirtschaftssystem integriert. Das „Wirtschaftswunder“ hat begonnen. Die Industrieproduktion steigt zwischen 1950 und 1963 um 185 %, Beschäftigung und Wohlstand nehmen zu. Nachdem zunächst der Wiederaufbau im Mittelpunkt steht, rücken ab Mitte der 1950er Jahre auch Konsumgüter in den Fokus. Der neue Wohlstand erreicht dabei nicht nur Unternehmen, sondern wird schnell im Alltag spürbar. Schon 1950 hat das durchschnittliche Familieneinkommen das Vorkriegsniveau überschritten. Neue Konsumgüter wie Nylonstrümpfe oder amerikanische Jeans prägen das Lebensgefühl ganzer Generationen. Waschmaschinen, Autos oder Urlaubsreisen werden für eine breite Mittelschicht erschwinglich. Der VW-Käfer wurde zum Sinnbild des Wirtschaftswunders.

54 125 Jahre pfenning-Gruppe Mit der Einführung von Milchtankzügen ab 1958 gehört das ständige Heben schwerer Milchkannen für die Milcherfassung der Vergangenheit an, um 1960. Für Johann Pfenning beginnt nun eine neue Zeit. Er erlebt den Aufschwung in der Bundesrepublik jeden Tag bei seinen Fahrten. Das Verkehrsaufkommen steigt im Laufe der 1950er Jahre massiv an. Zwar sind LKWs zunächst noch Mangelware, doch immer günstigere Modelle drängen auf den Markt, und der Transport auf der Straße macht dem Gütertransport auf der Schiene immer stärker Konkurrenz. Der zunehmende Straßenverkehr macht bereits 1956 sogar eine umfassende Überarbeitung der Straßenverkehrsordnung notwendig. Bei pfenning wird der Aufschwung am Fuhrpark sichtbar. Statt der improvisierten Holzvergaser wird wieder Diesel getankt, und Provisorien wie Fahrkabinen aus Presspappe gehören der Vergangenheit an. Obwohl Johann Pfenning nun neue Fahrzeuge von Mercedes Benz oder MAN bestellen kann, bleibt der Alltag in Viernheim und Umgebung zunächst noch weit entfernt von „moderner“ Logistik. Auch die neuen LKWs sind Pritschen- oder Planenfahrzeuge, auf deren Ladeflächen die mit 40 Litern vollbeladenen Milchkannen per Hand gewuchtet werden müssen. Umso drastischer ist der Einschnitt im Jahr 1958: Bei der Milcherfassung stellt Johann Pfenning auf Tankzüge um. Bessere Kühlung, leichtere Handhabung ohne schweres Heben und eine erhebliche Beschleunigung der Abläufe – die Umstellung ist eine kleine Revolution im alltäglichen Milchbetrieb. Doch ganz ausgedient haben die Milchkannen damit noch nicht: Bei der Belieferung der kleinen Läden in Viernheim prägen sie noch länger den Alltag.

55 1947 – 1973 Es ist zwar noch stockfinster, aber Werner Neuhäuser kennt sich bestens aus: Routiniert parkt er seinen Mercedes-LKW neben dem Hintereingang des kleinen Lebensmittelladens. Den Motor lässt er laufen, die Scheinwerfer sind das einzige Licht, das in diesen frühen Morgenstunden zu sehen ist. Mit geübten Handgriffen greift er aus einem großen Schlüsselbund nach Mehr als Milch Die LKWs werden nicht mehr nur für den Transport von Milchwaren verwendet. Für eine bessere Auslastung weitet Pfenning seinen Kundenkreis bereits ab den 1960er Jahren aus. Hier: Verladen von Materialien, um 1970. Das war der Einsatz: Täglich ca. 10-12 Stunden und das sieben Tage – mit zwei Tankfahrzeugen, Milchsammelfahrzeugen, die 365 Tage im Einsatz waren, jeden Tag. Werner Neuhäuser dem passenden Schlüssel und öffnet die Tür zum Lagerraum. Milch und einige Packungen Käse, Butter und weitere Molkereiprodukte sind schnell ausgeladen. Lange bevor der Laden öffnet, hat Neuhäuser die Tür schon wieder abgeschlossen und ist unterwegs zu seinem nächsten Ziel.

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